„Meine Augen stoßen überall an. Alles ist mir zu nah. Es gibt keinen Ausblick. Wo ist die Ferne? Wo sind die Flächen?“ (Emmy Hennings, Gefängnis)
Das Gefängnis als Disziplinarmacht, als Institution „der normierenden Sanktion“ (Michel Foucault) und der Durchsetzung einer jeweils für gültig erklärten Ordnung legitimiert sich durch den vorgeblichen Anspruch der resozialisierenden Wirkung des Freiheitsentzugs. Für diejenigen, an denen Strafe vollzogen wird, ist es eine existentielle Erfahrung von Auslieferung und Ausgeliefertsein, eine Erfahrung der Totalität von Kontrolle, des Mangels an Handlungsmöglichkeit, an Intimität, an Selbstbestimmtheit und Privatleben, der Mechanismen von Selbstentfremdung und Aufgabe des Ich: „Da draußen gibt’s dich nicht, in der Zukunft gibt’s dich nicht, in der Freiheit gibt’s dich nicht.“ (Andrzej Stasiuk) In der Literatur aus dem bzw. über das Gefängnis scheint die polare Konstellation der Begrenztheit des Raums und der als unbegrenzt erfahrenen Haft-Zeit strukturbildend zu sein. Die Ambivalenz von Hier und Dort, von Drinnen und Draußen ist nicht nur thematisch, sondern sie wird auch formal umgesetzt. Sie begründet eine fragmentierte Textstruktur und eine Schreibweise, die sich bestimmt durch das Gegeneinander äußerer und innerer Realitäten: Den unausweichlichen Gegebenheiten des Gefängnisalltags steht die Sehnsucht nach Ausbruch und Grenzüberschreitung gegenüber und als einzige Strategie der Ausflucht jene in das Surreale, in die Phantasie, in einen Raum, der der Überwachung entzogen ist.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck – wird die Schriftstellerin und Literaturvermittlerin Petra Nagenkögel verschiedenen Formen literarischer Auseinandersetzungen mit Gefangenschaft und Gefängnis anhand ausgewählter Texte (u.a. von de Sade, Dostojewski, Kafka, Jean Genet, Andrzej Stasiuk, Drago Jancar, Emmy Hennings, Wole Soyinka, Vaclav Havel) nachgehen.
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Kommentare
WohinTippHQ 56 mins ago