In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte europaweit ein völlig neuartiges Interesse der Gebildeten an volkskulturellen Erscheinungen ein: vor allem an den sprachlichen, meist mündlich tradierten Ausdrucksformen des damals überwiegend in ländlich-bäuerlichen Verhältnissen lebenden Volkes. Balladen, Lieder, Märchen u.a. wurden unter dem von J. G. Herder eingeführten Begriff „Volkspoesie“ gesammelt, veröffentlicht und zum ästhetischen Ideal erhoben.
Gleichzeitig wurde sehnsüchtig nach neuen Volkspoeten Ausschau gehalten. Robert Burns (1759, Alloway – 1796, Dumfries) und Franz Stelzhamer (1802, Großpiesenham – 1874, Henndorf b. Salzburg) galten ihren Zeitgenossen als Inkarnationen dieses Typus. Beide schrieben im Dialekt ihrer Herkunftslandschaft, Burns in Lowland Scots, Stelzhamer in „obderenns’scher Volksmundart“. Beide stammten aus kleinbäuerlichen Verhältnissen, konnten sich jedoch durch Bildung von den Einengungen ihrer sozialen Herkunft emanzipieren. Beide Dichter waren zu ihren Lebzeiten populär – bei den Gebildeten und im Volk. Sie waren volkstümlich im brecht’schen Sinne, insofern sie dem Volk mehr aufs Maul schauten als nach dem Maul redeten.
Beim Literaturfrühstück – wie immer bei Kaffee und Gebäck, so lange der Vorrat reicht – wird die Literaturwissenschafterin Silvia Bengesser der Frage nachgehen, warum Robert Burns heute zu den großen Lyrikern der Weltliteratur zählt, Stelzhamer hingegen im zweifelhaften Ruf eines Heimatdichters steht, der über die Grenzen Oberösterreichs hinaus kaum mehr Interesse zu erwecken vermag. Der Genuss, den das Hören autochthoner Dialekte bereitet, soll dabei jedoch nicht zu kurz kommen.
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WohinTippHQ 29 mins ago