In seinem Debütfilm nimmt Regisseur Markus Schleinzer Anleihen an ein Thema, das das Kinopublikum vor allem aus der Zeitung kennt. Denn „Michael“ erzählt von den letzten Monaten des erzwungenen Zusammenlebens des zehnjährigen Wolfgang und des 35-jährigen Michael. Michael hat den kleinen Jungen in seinem Keller eingekerkert, hinter einer schweren Tür, er hält ihn dort wie ein Tier und missbraucht ihn. Unweigerlich denkt man bei einer solchen Geschichte an Josef Fritzl oder an Natascha Kampusch. Auch die Bildwelten, mit denen Schleinzer arbeitet, sind – zumindest einem deutschsprachigen Publikum – vertraut: ein nichtssagendes Wohnviertel, ein unwirtliches Haus mit verschlossenen Fensterläden, ein Kellerverlies. Doch Schleinzer bricht auch mit dem, was man von einem solchen Film zu erwarten glaubt. Er gibt seinen Zuschauern Zeit, um über die Situation nachzudenken, indem er auf den Alltag des Entführers fokussiert. Er klagt nicht an, ekelt einen nicht mit grauenhaften Bildern – was auch dazu zwingt, sich vieles selbst vorzustellen.
„Ich wollte etwas schaffen, dem man sich aussetzen muss”, erklärt Schleinzer. „Es ist ein Täterfilm. Und ich wollte aus der Welt und aus der Sicht des Täters berichten. Eine Gesellschaft kann nur so weit entwickelt sein, wie sie auch in der Lage ist, sich mit ihren Tätern auseinanderzusetzen.” Michael Fuith spielt den Pädophilen mit ungeheurer Intensität. Das Doppelspiel nimmt man ihm ab: Tagsüber macht er als Versicherungsangestellter Karriere, nach Feierabend lässt er zu Hause die Rollläden runter und missbraucht den Jungen.
Michael ist ein Außenseiter, der sich und seiner Lust ein kleines Märchenreich unter der Erde errichtet hat. Er hält Kontrolle. Wolfgang ist die Ohnmacht. Ein Kind, das kein Kind sind darf und dessen Körper und Seele täglich von Michael vergewaltigt wird. Trotzdem gibt es in diesem Haus auch eine Normalität, einen „Gefängnisalltag” und Festtage mit Kerzen am grünen Tannenbaum. Ein Film, der ein Tabu inszeniert. (Leokino Innsbruck; aus: www.welt.de; www.arte.tv)
Film: „Michael“, Regie: Markus Schleinzer, Darsteller: Michael Fuith, David Rauchenberger, Ursula Strauss, Mittwoch (2.11.), 21.30 Uhr; Donnerstag (3.11.), 19.30 Uhr, Cinema 2000, St.-Martin-Straße 3, 6850 Dornbirn. Karten unter Tel. 05572/21973. www.fkc.at
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WohinTippHQ 1 hour ago