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Francis Picabia gehört aufgrund seiner Lebensdaten (1879–1953) noch der klassischen Moderne und insbesondere der Avantgarde um Dada und Marcel Duchamp an. Die Kunstgeschichte und die Kunstkritik hatte jedoch lange Zeit mit der Ein- bzw. Zuordnung Picabias ihre liebe Not. Seine Respektlosigkeit gegenüber strengen Überzeugungen hinsichtlich künstlerischer Ideologien ließ ihn immer wieder in Opposition zur jeweiligen Dominanz des Zeitgeistes treten, nicht zuletzt um sich jeglicher Vereinnahmung zu entziehen. Picabia gilt als großer Erneuerer, Provokateur, Anreger, Lebemann, Querdenker und Grenzgänger der Moderne, der sich als Maler und Poet in die Kunstgeschichte eingeschrieben hat. Kaum ein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts weist derart gegensätzliche Facetten und Stilrichtungen in seinem Oeuvre auf.
Picabias Ausgangspunkt lag in der Schule von Barbizon, aber auch im Symbolismus, bis er sich dreißig Jahre nach dem Impressionismus epigonal an die Errungenschaften des Farb- und Lichtaufbruchs der Moderne anschloss. Dies zeigt bereits, dass er bewusst Strömungen mischte und ihm jedes zu lange Beibehalten und Prägen eines wiedererkennbaren Individualstils als Stagnation erschien. Zuerst kehrte er zu den Fauves zurück, um etwas später mit kubistischen Prinzipien die abstrakte Malerei mit zu erfinden. Mit einem Hackenschlag wendete er sich daraufhin der sogenannten Maschinenbilder (Mechanomorphien) zu, die die Begeisterung der damaligen Zeit für die Mechanisierung der Alltagswelt widerspiegelten und die er auf konzeptuelle Weise mit surrealen Entfremdungen und Sprachwitz zu eigenwilligen Porträts transformierte. Mit Gründung der Zeitschrift 391 wurde er zu einem zentralen Wegbereiter des Dadaismus in Europa, bis er sich wenig später auch dieser Richtung entzog. Mitte der 1920er Jahre folgten seine „Transparenzen“, - Überlagerungen von mehreren Motiven, die eine räumliche Darstellung ohne Perspektive suggerierten und beeinflusst waren von Zitaten an die Malerei von Pompeji, romanische Fresken, Botticelli oder Michelangelo. Von den späten 1930er Jahre bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs widmete sich Picabia einer hyperfotorealistischen Malerei, die vor allem dem weiblichen Akt im Fokus hatte, und die er aus Trivialmagazinen nachmalte bzw. paraphrasierte. Sein letzter stilistischer Schwenk vollzog sich, vielleicht als Ausdruck der Sprachlosigkeit gegenüber dem Gräuel des Krieges, nach 1945. In dieser Phase widmete er sich, bis zu seinem Tod 1953, der Diskussion um die abstrakte, gestaltlose Malerei im Umfeld der Nouvelle École de Paris.
Die Kunsthalle Krems nimmt die erste Retrospektive des Werkes von Picabia in Österreich zum Anlass, den Ironiefaktor eines ständigen Stilwechsels genauer zu untersuchen und damit auch eine Revision der Moderne anzustellen sowie eine Bewusstmachung zu initiieren, wie aktuell die Kunst von Picabia bis zum heutigen Tag ist. Denn – so die These – seit Beginn der Postmoderne ist die aktuelle Kunst ein Nachkomme der subversiven Gedanken dieses Künstlers.
Kurator: Hans-Peter Wipplinger
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WohinTippHQ 1 hour ago