Kettcar - Zwischen den Runden
Das Kettcar-Debüt "Du und wie viel von deinen Freunden" war eine Platte, die vieles geändert hat in der deutschen Musikszene. Die ein Feld bestellt hat, auf dem andere ernten – und zwar bis heute. Viele gute, aber auch jede Menge durchschnittliche Musiker und Bands berufen sich auf Kettcar. Zum Teil offen, zum Teil indirekt, zum Teil vielleicht sogar, ohne es zu wissen und zu wollen. So läuft es eben, wenn man den Status Quo umkrempelt. Kettcar haben neue Worte und neue Klänge gefunden, die bis heute widerhallen, und allein dafür gebührt ihnen Respekt. Doch fast noch größer ist die Leistung, die die Band nach ihrem erfolgreichen Start hingelegt hat und die ihr mit jeder Platte aufs Neue gelingt. Denn Kettcar richten sich nicht im Bewährten ein. Hier wird kein Markt erforscht, keinem realen oder vermuteten Fan nach dem Mund geschrieben. Bei Kettcar muss es weitergehen, immer weiter. Befindlichkeitsfixiert war vorgestern. Wer der Band heute noch vorwirft, sie würde nur in Postkartensongs um ihr eigenes Ich kreisen, hat schon beim Vorgänger nicht richtig zugehört. Aber auch die Zeit des Bruchs und der Verweigerung, die den Vorgänger "Sylt" geprägt hat, ist vorbei.
ZWISCHEN DEN RUNDEN ist der nächste Schritt auf dem Weg einer Band, die den Horizont anpeilt, anstatt in den Kreisverkehr abzubiegen. Und es ist eine Platte, die einen zunächst am Kragen packt und umwirft: "Wenn das der Frieden ist, musst du den Krieg nicht noch erfinden" heißt es in "RIP". Es fällt auf, wie viele Kampf- und Kriegsmetaphern man hier findet – siehe den Albumtitel ZWISCHEN DEN RUNDEN. Luftholen, Trinken, Zahnausspucken, Weitermachen: Ein Motto, das nicht nur für den Boxer gilt. Sondern für alle, die sich schon etwas länger durchkämpfen durch dieses seltsame Ding namens Leben. Die Einschläge kommen näher, das wissen Kettcar. Und deshalb geht diese Platte auch oft an die Substanz. "Vielleicht, vielleicht ist es nicht leicht, das alles zu ertragen / Die Hoffnung ist schon vorgerannt, das Grab schon mal zu graben", heißt es in "Kommt ein Mann in die Bar", und das ist einer der vielen Momente der Platte, an denen man schlucken muss, tief durchatmet, und beginnt, sich selbst ein bisschen zu schämen. Weil man so viel verdrängt und so wenig an sich ranlässt und deshalb manchmal eine Band wie Kettcar braucht, die einem hilft, den Panzer zu sprengen. Eine Band, die schon vor Jahren den Satz "Einsehen zum Schluss, das man weitermachen muss" als Credo ausgegeben hat. Oder, um im Boxerbild zu bleiben: Der Kopf darf hängen, aber das Handtuch zu werfen, ist dann doch keine Option.
Dass ZWISCHEN DEN RUNDEN das musikalisch vielschichtigste und offenste Kettcar-Album geworden ist, hat dabei sicher auch damit zu tun, dass das Songwriting erstmals fast gleichberechtigt auf zwei Schultern verteilt wurde. Fünf der zwölf Songs wurden von Bassist Reimer Bustorff geschrieben, und die fügen sich so nahtlos mit den Nummern von Marcus Wiebusch zusammen, dass selbst eingefleischten Kettcar-Anhänger die Unterscheidung schwer fallen wird, welches Lied von wem ist. Oft wird ja eine Band von ihren Mitglieder geprägt – bei Kettcar hat man inzwischen das Gefühl, dass es genau andersherum ist. Die Band, die Idee, der künstlerische Ansatz ist der dominierende Faktor, der die Akteure formt. Und so ist bei Kettcar mal wieder vieles anders als bisher, und dennoch bleiben sie unverkennbar. Das klingt so einfach, aber es gelingt eben nur den wenigsten. Kettcar gehen weiter. Und nehmen einen dabei mit.
(Ingo Neumayer)
___________________________________________
KETTCAR
Montag, 22. Juli 2013, Conrad Sohm Kultursommer
Einlass 20 Uhr, Beginn 21 Uhr
www.kettcar.de
Tickets sind bei allen Ländleticket-Vorverkaufsstellen (Raiffeisenbanken und Sparkassen Vorarlbergs) mit Raibaclub-Ermäßigung, Musikladen (05522/41000), V-Ticket, oeticket.com, eventim.de und Bro Records erhältlich. Tickets zum selbst ausdrucken: https://eventjet.at/tickets/add_ticket/1917/2558
Möchten Sie sich für unseren wöchentlichen Newsletter mit Veranstaltungstipps in Ihrer Umgebung, Gewinnspielen u.v.m. anmelden?
Nein danke, ich bin bereits Wohintipp-Mitglied (oder möchte nicht beitreten)
E-Mail Adresse eingeben, Anmelde-Button drücken und los geht’s
Bitte akzeptieren Sie erst unsere Nutzungsbedingungen.
Wollen Sie einen Kommentar hinterlassen?
Registrieren Sie sich (gratis!) bei Wohintipp.at oder loggen Sie sich ein
Kommentare
WohinTippHQ 2 hours ago