Vortrag von Johannes Ullmaier zu Geschichte und Gegenwart des „autonomen Bruitismus“ seit Luigi Russolo
Moderation: Leo Findeisen
1913 veröffentlichte der futuristische Maler Luigi Russolo das Manifest "L'Arte dei Rumori" (dt. “Die Kunst der Geräusche”) und begründete damit die Geräuschmusik - eine Tradition, die über die letzten hundert Jahre eine enorme materiale Verbreiterung sowie viele Aufbrüche und Siege, aber auch viele Rückschläge und Pyrrhussiege zu verzeichnen hatte. Dies gilt für alle ihre einzelnen Aspekte, seien es die selbstgebauten Instrumente, das Konzept einer Musik der Nichtmusiker bzw. Unbefugten, der Schock- und/oder Überwältigungseffekt durch Lärm, die Darstellung bzw. Verdichtung der modernen Welt oder last but not least die Ästhetik und Praxis einer Musik (aus) der Maschine. Auf allen diesen Feldern gab es sowohl epochale Durchbrüche als auch Routinen oder Funktionalisierungen, welche die Autonomie einer genuinen Geräuschkunst oft überschattet oder teils verhindert haben und sie bis heute gefährden.
Aus Anlass der jüngst erschienenen CD-Kompilation "aufabwegen50 - Ausgewählte Geräusche" zeichnet Johannes Ullmaier in seinem Vortrag exemplarisch einige Stationen der Entwicklung nach und diskutiert Realität und Potential von Geräuschästhetik in der Gegenwart.
Dr. Johannes Ullmaier lehrt als Literaturwissenschaftler am Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität mit den Forschungsbereichen Literatur des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Avantgardebewegungen und der 60er Jahre, sowie Akustische Literatur (Lautpoesie, Hörspiel, Lesung, Spoken Word). Er ist Mitbegründer und Herausgeber von testcard, einer Anthologie zur Popgeschichte und Poptheorie mit halbjährlicher Erscheinungsweise (ab 1995) und gab die erste deutschen Gesamtübersetzung von L. Russolos “L'arte dei Rumori” heraus, inklusive einer Auswahldiskographie zu Geschichte und Gegenwart bruitistisch-futuristischer Musik (2000). Weitere Publikationen: Von Acid nach Adlon und zurück. Eine Reise durch die deutschsprachige Popliteratur (2001), Dieter Roth: Da drinnen vor dem Auge (m. Jan Voss u.a., 2005), Schicht! - Arbeitsreportagen für die Endzeit (2007), Gudrun Ensslin, Bernward Vesper “Notstandsgesetze von Deiner Hand” - Briefe 1968/1969 (2009), Ernst Jandl - Das Öffnen und Schließen des Mundes (2010).
Andreas Leo Findeisen, geboren 1967, ist Medienphilosoph, Autor und Musiker. Er lehrte an der Akademie der bildende Künste Wien und arbeitet derzeit an Projekten künstlerischer Forschung.
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WohinTippHQ 44 mins ago