Zum Inhalt:In diesem Buch vertritt der Mediziner und Theologe Univ.-Prof. DDr Johannes Huber die provokante These, dass es intellektuell redlich ist, wenn gläubige Menschen die Entstehung dieser Welt mit einer Gottesvorstellung in Zusammenhang bringen. Er stützt sich dabei nicht zuletzt auf das Manifest des hochangesehenen Physikers und Einstein-Schülers Walter Thirring, das am Ende des Buches abgedruckt ist. Damit tritt Huber einer Anschauung entgegen, die derzeit Konjunktur hat:Es wird toleriert, dass Christen Hilfsdienste leisten, Flüchtlinge betreuen, den Stephansdom als Touristenattraktion verwalten und die Jahreszyklen mit Feiertagen begleiten. Aber wenn ein Christ deutlich macht, dass der weltanschauliche Hintergrund dafür auch einer naturwissenschaftlichen Betrachtung standhalten kann, bricht eine Welle der Empörung los. Dieser Haltung tritt Huber entschieden entgegen: Natürlich ist es nicht Aufgabe der Naturwissenschaft, Gott zu beweisen, allerdings kann sie sehr wohl einen Hintergrund liefern, der zeigt, dass es nicht widervernünftig ist, an Inhalte jenseits unserer Erfahrungswelt zu glauben.Im zweiten Teil seines Buches beschäftigt sich der Autor mit der zentralen Frage der Ethik: Was sollen wir tun? Er erklärt anschaulich und allgemein verständlich anhand einzelner Gebote, wie gerade in der hochdifferenzierten Jetztzeit der Dekalog und die Bergpredigt wichtiger denn ja sind.Textauszug:Die Vermessung des TranszendentenEinleitung: Der große Pan ist totEines Abends, als sie schon auf der Höhe der Echinaden-Inseln waren, sei der Wind eingeschlafen und das Schiff sei treibend in die Nähe der Paxos-Inseln gelangt. Die meisten seien noch wach, einige nach beendigtem Mahl beim Trinken gewesen. Plötzlich habe man von der Paxosinsel her eine Stimme gehört, die laut "Thamus!“ rief, sodass man sich verwunderte. Thamus war aber ein Ägypter und Steuermann des Schiffes, doch nicht vielen der Fahrgäste mit Namen bekannt. Beim ersten und zweiten Anruf habe er geschwiegen, beim dritten Mal aber dem Rufer geantwortet. Dieser habe nun seine Stimme noch mehr erhoben und gerufen: "Wenn du auf die Höhe von Palodes kommst, dann melde, dass der große Pan tot ist!“Als sie das gehört hätten, so erzählte Epitherses, seien sie alle sehr erschrocken und hätten sich darüber unterhalten, ob es besser sei, den Auftrag auszuführen, oder sich nicht darum zu kümmern, sondern es auf sich beruhen zu lassen, und Thamus habe sich dahin entschieden, wenn Wind wäre, stillschweigend vorbeizufahren, wenn aber Windstille und glatte See in dieser Gegend wäre, das Gehörte auszurichten. Als sie auf der Höhe von Palodes angelangt waren und weder Wind noch Wellengang war, habe Thamus, vom Heck nach dem Land hin blickend, gerufen, wie ihm gesagt worden war: "Der große Pan ist tot!“ Kaum aber habe er diese Worte geendigt, so habe sich, nicht von einer, sondern von vielen Stimmen, ein lautes Wehklagen, vermischt mit Ausdrücken der Verwunderung, erhoben. Da nun viele Menschen dabeigewesen seien, so habe sich die Geschichte schnell in Rom herumgesprochen, und Thamus sei vom Kaiser Tiberius zur Audienz befohlen worden.(Plutarch)Steht man vor den Kathedralen Europas, in denen jahrhundertelang Menschen den Kontakt zum Transzendenten suchten, und hört man darin bewegt, was große Musiker zur Ehre Gottes komponierten – so ergreifend, dass mitunter auch die gotischen Säulen des Kircheninnenraumes mitzuschwingen versuchen –, und bestaunt man viele klassische Bilder in den großen Galerien der Welt, die nur dann verständlich werden, wenn man das Christentum kennt, dann hat es allerdings nur unter einer Voraussetzung einen Sinn, dies alles weiterzudenken: dass es nämlich vernünftig ist, an Transzendentes zu glauben weil man innerlich überzeugt ist, dass der große Pan doch nicht tot ist und dass es keineswegs unvernünftig ist, an Inhalte zu glauben, die Jenseits unserer Vorstellungswelt existieren.Zwei Jahrtausende haben christliche Denker um Antworten auf die großen Fragen der Menschheit gerungen. Was ist Schuld? Gibt es eine Vergebung? Wie verteilen sich die Rechte des Einzelnen gegenüber jenen des Staates? Was ist der Sinn unseres Lebens, und warum gibt es das Böse in der Welt? Das Bemühen, die jahrhundertealten Antworten auf diese sinnstiftenden Fragen der Moderne zu vermitteln durchläuft momentan eine Krise: Den weltanschaulichen Amtsträgern fehlt offenbar das moderne Vokabular; die Brücken zum Transzendenten werden mit Leichtigkeit niedergerissen, vor allem in jenen Erdteilen, die sich – trotz globaler Armut – zu Genusstempel umstrukturieren und deswegen dem Diesseits treu bleiben müssen. Um dies auch intellektuell rechtfertigen zu könne, beginnen sie, die Wissenschaft zu vergöttlichen, die ihnen bestätigt, dass der große Pan wirklich tot ist. Paradoxerweise hat diese Apotheose der mechanistischen Aufklärung schon Nietzsche beklagt.Und so reduziert sich bei vielen unserer Zeit bedauerlicherweise das Grundwissen über christliche Offenbarung und Tradition im besten Fall auf einige Geschichten, die man gerade noch aus der Volksschulzeit kennt. Ein Phänomen, das übrigens nicht nur die Theologie, sondern auch andere Wissensgebiete betrifft – man möge nur gelegentlich im österreichischem Hörfunk über jene Antworten meditieren, die mitunter der Mikromann auf seine Fragen bekommt.Obwohl das Christentum die reflektorisch intensivste Religionsmacht der Welt ist unterliegt es aus dieser kommunikativen und defensiven Schwäche heraus immer wieder der Versuchung, seinen Exilgedanken – das Zentrum der Botschaft – in Sozialarbeit, Solidarität und Caritas umzukodieren, um ja nicht ironisiert zu werden. Manche christliche Kirchen – so meinen viele ¬– haben sich immer mehr zu einem praktikablen Funktionärsverband mit spiritueller Ausrichtung entwickelt, mit festen Sitzen in Kommissionen und Rundfunkräten – aber fast ohne eigenes, aus dem Glauben geschweißtes provokantes Bekenntnis, dass wir uns auf diesem Planeten nicht einrichten können wie in einem ewigen Haus. Wenn jemand im Wald einen Baum umarmt, um sich mit dem Transzendenten zu vereinen, so finden das viele cool, besucht man allerdings sonntags die Kirche, muss man sich mitunter sogar dafür entschuldigen.Und dabei wird oft mit zweierlei Maß gemessen: Während man buddhistische und islamische Glaubensinhalte vielfach kommentarlos zur Kenntnis nimmt, werden christliche häufig der Lächerlichkeit preisgegeben – und das noch dazu unter der vermeintlichen Assistenz der Naturwissenschaft.
Möchten Sie sich für unseren wöchentlichen Newsletter mit Veranstaltungstipps in Ihrer Umgebung, Gewinnspielen u.v.m. anmelden?
Nein danke, ich bin bereits Wohintipp-Mitglied (oder möchte nicht beitreten)
E-Mail Adresse eingeben, Anmelde-Button drücken und los geht’s
Bitte akzeptieren Sie erst unsere Nutzungsbedingungen.
Wollen Sie einen Kommentar hinterlassen?
Registrieren Sie sich (gratis!) bei Wohintipp.at oder loggen Sie sich ein
Kommentare
WohinTippHQ 29 mins ago