Ein Heiliger, der Ost und West verbindet
Die oft entstellte Gestalt des heiligen Nikolaus von Myra ist Thema einer Ausstellung im Pfarrzentrum Altach
Einen Sack voller Missverständnisse hat man ihm aufgebürdet im Lauf der Jahrhunderte, schon bevor der Kapitalismus des zwanzigsten Jahrhundert ihn zum ewig durstigen Santa Claus machte und der Sowjetkommunismus zu Väterchen Frost, beide mit Rauschebart. Dabei war und ist Nikolaus von Myra - heute Demre an der türkischen Riviera - eine wegweisende Gestalt, eine der wenigen, die in Ost und West gleichermaßen in Ehren gehalten werden.
Sein Leben haben Chronisten mit dem eines gleichnamigen Abtes aus der Gegend vermischt und später durch teils krause Legenden entstellt. Der Heilige lebte wohl zwischen 270 und 351, zu der Zeit, als die Kirche nach langer Verfolgung legal wurde. 325 war der Bischof der damaligen Hafenstadt Myra Teilnehmer am Konzil von Nicäa. Er setzte sich für ein verbindliches Christentum ein und trat gegen den Fruchtbarkeitskult rund um den Großtempel der Artemis von Ephesos auf. Laut dem am besten bezeugten Bericht verhinderte er den Justizmord an Generälen, die er selbst zur Schonung Aufständischer angehalten hatte. Er lehrte zu teilen wie Jesus, und half, wo man ihn brauchte – in Seenot vor allem. Mit seinem Erbe bewahrte Nikolaus junge Frauen vor dem Schicksal der Prostitution. Die Aktualität seines Handelns liegt auf der Hand: Im heurigen Jahr sind bis September - soweit dem UNHCR bekannt - fast 500 Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken, 2016 waren es über 5000. Auch die legendären Goldklumpen des Heiligen wären nötiger denn je – 2016 wurden allein in der EU 6626 Fälle von Frauen und Kindern amtsbekannt, aus Russland, der Ukraine, Südosteuropa, Nigeria und Südostasien, die Menschenhändler der Zwangsprostitution zugeführt haben. Die Dunkelziffer ist mindestens fünfmal so hoch.
In orthodoxen Kirchen fehlt sein Bild auf keiner der Ikonenwände. In Westeuropa gibt es allein nördlich der Alpen über 2200 Nikolaus-Kirchen, 40 in Island, in Vorarlberg zwölf neben der Domkirche. Darunter die von Altach, das ursprünglich Fährsiedlung am Rheinufer war.
In Altach pflegt ein Arbeitskreis seit 50 Jahren die Erinnerung an den Bischof von Myra und Patron der Pfarre und kommt auf Wunsch zum Nikolaus-Spiel in die Häuser. Wegen der Pandemie ist das heuer nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Dafür zeigt eine Ausstellung im Pfarrzentrum, erarbeitet von Willibald Feinig, wie der Heilige in uraltes, heidnisches Winterbrauchtum eingefügt, für pädagogische Zwecke gebraucht und kommerzialisiert wurde. Und sie legt den Kern der Überlieferung frei, die Erinnerung an einen glaubensstarken und tatkräftigen Christen der Frühzeit.
Die Ausstellung ist zugänglich täglich von 7 - 20 Uhr, bis 11. Jänner 2021. Bitte halten Sie sich an die Regeln (Gesichtsmaske, Abstand).
Illlustration: Nikolaus-Ikone aus Nowgorod (um 1300)
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Kommentare
WohinTippHQ 46 mins ago