Verbissener Spaß, angestrengtes Entspannen: Anders lässt sich nicht beschreiben, wie deutsche Rapper versuchen, Leichtigkeit zu imitieren, sich um Dolce Vita bemühen. Kantige Jungmannen mit akkuraten Kurzhaarschnitten, die sich mit Betonmine vor Urlaubskulissen fotografieren lassen. Berufsjugendliche, die auf die unvermeidliche, große Vierzig zusteuern, aber versuchen, dem Alter mit einem besonders bunten Turnschuh ein Schnippchen zu schlagen. Und all das freudlose Genießen, der gelangweilte Exzess: Das Steak bei Salt Bae bleibt im Hals stecken, der Sizzurp ist am Ende doch nur eine Hustenmedizin.
Dabei muss es doch nicht so sein, denkt sich Gossenboss mit Zett, nimmt einen tiefen Schluck aus der Tankstellen-Bierdose, legt den Kopf an die Scheibe irgendeines heruntergerockten Kombis und starrt auf die verschwimmende Autobahnlandschaft, die an ihm vorüberzieht, hier auf der A2, auf dem Weg zu einem Konzert in irgendeinem der vielen Deutschlands, in die es einen als Musiker verschlägt. Das Catering wird den Erwartungen in keiner Weise entsprechen, der Sound wird kratzig und laut werden. Es wird sicher wieder schwitzig und heiß werden, gebrochene Knöchel im Moshpit und nach der Show werden viel zu viele Biere und kleine Schnäpse geext. Der Kater am nächsten Tag wird verheerend, die Rückfahrt lang, vielleicht gekrönt durch eine Vollsperrung. Und am Ende wird es doch wieder das beste Wochenende sein, das man bis jetzt erlebt hat.
Auf „No Future“, der neuen Platte des Dresdner Rappers, wird diese Leichtigkeit zelebriert und in die Höhe gehalten. Auf den zehn Tracks entwirft Gossenboss mit Zett einen Lebensentwurf, der ganz anders erscheint als die grimmige Lebenslust der oben beschriebenen ArbeitskollegInnen. Er beschreibt das unprätentiöse Touren als Untergrund- Artist, „in Bayern keine Pause/ bleibt für immer meine Taktik“, verspottet den Archetyp des „Karl Heinz“, Blockwarts aus Leidenschaft, die sich gierig auf den kleinsten Regelverstoß stürzen. Wütet über den Social Media-Leistungssport, „Alle wollen mir irgendwas verkaufen/ Jeder will da draußen gewinnen/ Jeder will den guten Fusel saufen/ Und wer nicht mitmacht, der spinnt!“. Und erzählt nonchalant über Feuchttücher und Wartezimmer beim Kinderarzt, gibt Shoutouts an die Mamis und bringt das Kind ins Bett, denn Papa ist zurück! Und so ist „No Future“ alles, was Deutschrap so schwer fällt, erwachsen und leicht, politisch und cool, dreckig und elegant. Untermalt werden all diese funktionierenden Widersprüche von einem warmen, knarzigen Sound, in dem verspielte Hörspielmomente und Samples ineinanderfließen. Die Beats von Iron Mike, MELS, Dr. Damage und Cana werden unter der Executive Production von Synthikat zu einem lebendigen, atmenden Stück Musik, in der Staub und Patina gewollt und nicht weggewischt werden. Und auch die Features von Danger Dan, Kollege Hartmann und Milli Dance sorgen dafür, dass sich die Platte nicht in egomanischer Selbstverliebtheit verliert, sondern viele Stimmen und Stile ineinander vereint. Und so gelingt Gossenboss mit Zett mit seinem neuen Album die Essenz aus seinem bisherigen Schaffen, aus Alltagsbeobachtung und Underground Hustle, aus lakonischem Storytelling und Battlerap. Und damit ist „No Future“ eben auch alles, was Rap in diesem Land sein kann, wenn man den Zwang und die Kälte raus nehmen würde – Leben und Spaß. Und das bringt Gossenboss mit Zett dann auch mit auf Tour, die ihn im Februar 2022 auch nach Wien bringt. Freude!
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Kommentare
WohinTippHQ 43 mins ago